Die Welt schrumpft zusammen. Globalisierung und Digitalisierung haben sie verändert: Manche Menschen haben, obwohl sie tausende Kilometer voneinander entfernt sind, auf einmal miteinander zu tun. Manche Menschen haben nichts miteinander zu tun, obwohl sie Tür an Tür wohnen, die Ferne zwischen ihnen wächst.
Wie können wir diese Welt beschreiben, die für die einen weltweit ist und für die anderen am Gartenzaun endet, oder am Anfang der Wüste, oder jenseits von ihr, am Mittelmeer? Und wie die Wanderungen der einen und der anderen in dieser Welt fassen? Ist durch das Web eigentlich eine zweite Welt dazugekommen? Oder hat sich die bestehende nur verändert? Und sind wir, wenn wir das Smartphone in der Hand haben, in einer Zwischenwelt?
Im Fokus World Wide World denken wir im Center for Literature darüber nach, was diese Prozesse bedeuten, wie Literatur sie – in ihrer Unverständlichkeit – zu greifen bekommen kann.
Was heißt digitales Denken und Handeln fürs Schreiben? Wenn geschriebene Poesie sich aus dem Sprechen und Singen entwickelt hat, wie kann sie sich dann heute wieder verändern, in einem Medium (dem Netz), das Hören, Sehen, Lesen zusammenbringt? Oder entfernt sich die Lyrik von ihrem Ursprung im Mündlichen und flirtet lieber mit Programmiersprachen? Die erschaffen zumindest Welten.
Oder sind all diese Überlegungen gar überflüssig, da Fotos auf Instagram längst die neue, durch und durch konkrete Poesie sind? Sicher ist nur: Die weltweite Welt ist weder real noch virtuell, sie befindet sich dazwischen.
Mohsin Hamid, der pakistanische Romancier, trifft es genau, wenn er über seine Figuren schreibt: »Die Geräte verfügten über winzige integrierte Antennen, und diese Antennen kundschafteten wie durch Magie eine unsichtbare Welt aus, eine Welt, die überall um sie herum war und zugleich nirgendwo, und versetzten sie an ferne und nahe Orte, und an Orte, die es nie gegeben hatte und es nie geben würde.« (Moshin Hamid)
Wie können diese Orte wieder zu utopischen werden?