Von Westfalen in die Südsee – der 1874 in Oelde geborene Bauernsohn August Erdland ging im Jahre 1900 für gut zehn Jahre als Missionar in die Südsee. Auf den Marshallinseln, gut 13.000 Kilometer von seiner Heimat entfernt, wurde er zum Schriftsteller. Die Inselgruppe im fernen Ozeanien, nördlich von Australien gelegen, wurde für ihn zu einer zweiten Heimat. Während Erdlands hochgeschätzte sprachliche und ethnologische Schriften sachlich abgefasst sind, präsentiert sich der Autor in seinen literarischen Südsee-Skizzen als unterhaltsamer Erzähler, der auch manche Anekdote einfließen lässt. Erdland liefert dabei realistische und keine geschönten Porträts einer Inselwelt, die alles andere als ein Paradies darstellte. Anders als viele Entdeckungsreisende lehnte Erdland das Überlegenheitsgefühl vieler weißer Kolonialisten ab und sprach den Insulanern ein Selbstbestimmungsrecht zu. Seine Ausführungen bereichern die aktuellen kritischen Debatten über die deutsche Kolonialgeschichte.
Der Literaturwissenschaftler Walter Gödden und der Schauspieler und Sprecher Carsten Bender geben in einer kurzweiligen dialogischen Lesung Einblicke das Leben eines Missionars, der an seiner eigenen Mission scheiterte und dem Kolonialismus zusehends kritischer gegenüberstand.
Eröffnet wird die Veranstaltung im Garten des Haus Rüschhaus mit einem Beitrag der Biologin und Journalistin Alexandra Hostert. Sie wird uns durch den Rüschhaus-Garten führen, in dem sich Löwenmäulchen, Kartoffeln und Fliederbüsche befinden. Also Pflanzen, mit denen viele Menschen ein Gefühl von Heimat verbinden. Dabei stammen diese und viele andere Pflanzen in westfälischen Gärten ursprünglich nicht aus Mitteleuropa, sondern wurden eingeführt – als Zierpflanzen oder um uns zu ernähren. In der Kolonialzeit brachten Botaniker viele Pflanzen ohne Zustimmung der Ursprungsländer nach Europa. Tropische Pflanzen wie Orchideen waren bereits ab dem 18. Jahrhundert zum Statussymbol wohlhabender Menschen geworden. Heute sind viele eingeführte Pflanzen längst Normalität in unseren Gärten und auf unseren Fensterbänken.
In der Veranstaltungsreihe Schatten des Schattens fragen wir uns, wie stark koloniale Geschichte unsere Sprachen prägen und wie weit koloniale Muster in unser Alltagssprechen und auch in Literatur hineinreichen. Schatten des Schattens sieht Sprache aber auch als Teil des großen Prozesses der Dekolonisierung. Das zweijährige Projekt verfolgt in Gesprächen und künstlerischen Beiträgen historische Spuren in der Sprache – zwischen Wissenschaft und Kunst, zwischen Westfalen und der Welt.
mit
Carsten Bender
Walter Gödden
Alexandra Luzia Hostert
Hinweis
Vor Ort ist nur Barzahlung möglich.
Die Veranstaltung gehört zum Projekt Schatten des Schattens: Sprache in (post)kolonialen Zeiten, einer Kooperation von Burg Hülshoff – Center for Literature (CfL), der LWL-Kommission für Mundart- und Namenforschung Westfalens und dem Germanistischen Institut der Universität Münster, gefördert durch die LWL-Kulturstiftung im Rahmen von »POWR! Postkoloniales Westfalen-Lippe« und der Stiftung der Sparkasse Münsterland Ost.